11. November 2015 – 17.30 Uhr
Universität Bern

Die Schweiz (er)finden. Der Helvetismus des 18. Jahrhunderts als Laboratorium der Nation

Der vorrevolutionäre Helvetismus des späten Ancien Régime erscheint im Rückblick als geistig-kulturelles Laboratorium, aus dem die für die Schweiz des 19. Jahrhunderts massgeblichen Narrative des Nationalen hervorgingen. Diese Veranstaltung geht den Akteuren sowie den vielfältigen Artikulationen des schweizerischen Nationaldiskurses im 18. Jahrhundert nach und fragt nach dessen Auswirkungen auf die Ausbildung der schweizerischen Nationalidee im 19. und 20. Jahrhundert.

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Im 18. Jahrhundert verdichteten sich im geistigen und kulturellen Leben der Schweiz – parallel zum gemeineuropäischen Diskurs über die Unterschiede im Charakter der Völker Europas – die diskursiven Bemühungen um die Bestimmung eines genuin schweizerischen «Nationalcharakters» und «Nationalgefühls». Symptomatisch war in dieser Hinsicht das Aufkommen der programmatischen Begriffe «Schweiz», «schweizerisch», «helvetisch» bzw. «Suisse» und «helvétique» in den Titeln von gelehrten Abhandlungen, Lexika, Gedichtsammlungen, Landesbeschreibungen, Zeitschriften und Geschichtsdarstellungen. Die 1761/62 in Schinznach gegründete Vereinigung von reformaufklärerischen Männern, die einen gesamtschweizerischen Patriotismus über den kantonalstaatlichen und konfessionellen Partikularismus stellen wollten, nannte sich denn auch «Helvetische Gesellschaft».

Bezeichnend für die strukturellen Integrationsprobleme des eidgenössischen Bündnissystems und für die Ablehnung weitergehender staatspolitischer Reformen durch die souveränen Kantonalstaaten bleibt allerdings, dass der Helvetismus im Ancien Régime auf das Geistes- und Kulturleben beschränkt blieb und sich in der Öffentlichkeit betont apolitisch gab. Erst mit dem Zusammenbruch der alteidgenössischen Aristokratien in den Helvetischen Revolutionen von 1798 brach sich ein staatspolitischer Helvetismus Bahn und mündete in das Experiment der Helvetischen Republik, die die versteinerte Eidgenossenschaft mit ihren vielfältigen, historisch bedingten Konstruktionsmängeln in einen vernünftig organisierten, einheitlichen schweizerischen Staat verwandeln wollte.

Der vorrevolutionäre Helvetismus des späten Ancien Régime erscheint im Rückblick als geistig-kulturelles Laboratorium, aus dem die für die Schweiz des 19. Jahrhunderts massgeblichen Narrative des Nationalen hervorgingen. Die Veranstaltung «Die Schweiz (er)finden. Der Helvetismus des 18. Jahrhunderts als Laboratorium der Nation» geht den Akteuren sowie den vielfältigen Artikulationen des schweizerischen Nationaldiskurses im 18. Jahrhundert nach und fragt nach dessen Auswirkungen auf die Ausbildung der schweizerischen Nationalidee im 19. und 20. Jahrhundert.

Serie: Facettenreiche Schweiz

Anmeldung

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info@sgeaj.ch

Vortrag von André Holenstein in Deutsch, anschliessende Podiumsdiskussion in Deutsch und Französich mit Prof. Simona Boscani Leoni (UniBE), Prof. François Rosset (UniL), Timothée Léchot (UniNE), Helder Mendes Baiao (UniL). Moderation Christophe Büchi.

Universität Bern, Hauptgebäude, Hochschulstrasse 4, Kuppelsaal. 

Une Suisse qui s’invente en puisant chez ses voisins

Article paru dans Le Temps du 6 novembre 2015, « Perspective », p. 14.
Claire Jaquier, Professeure à l’Université de Neuchâtel et Présidente de la Société suisse pour l’étude du 18e siècle, publié dans le Blog de l'ASSH

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